Festival-Booklet by Tim

Rückmeldung von Rolf Murbach
Liebe Vera, Urs, Andreas und Yves, danke!
Wie enden? Das war ein Stück von Beckett, in dem ich vor langer Zeit mitgespielt
hatte. Auch in den Filmen, die wir am diesjährigen Festival gesehen haben, wurde
viel gestorben. Das hat gepasst. Mein 95-jähriger Vater ist vor zwei Monaten
verstorben. Mein letzter Ausflug mit ihm führte uns nach Einsiedeln, nach Brunni und
mit der Bahn hinauf zur Holzegg. Wir standen am Fusse des Mythen und schauten
zum Berg. Der Abschied von meinem Vater war, auch nach schwierigen Zeiten,
stimmig. Runder, kleiner Stein.
Vielleicht wie ganz am Schluss in «Nokan, die Kunst des Ausklangs». Ich sehe
nochmals Daigo, wie er im Nebel in sein Heimatdorf zurückfährt, im Orchester spielt,
sein Cello verkauft und als Bestatter anheuert. Es gibt in diesem Film so viel
Skurriles, wie in einer Erzählung von Murakami, und der Umgang mit dem Tod ist
liebe- und respektvoll. Daigo drapiert die Gewänder mit Sorgfalt am leblosen Körper,
fast zärtlich. Als er die letzte Waschung vollzieht, erlebt er Überraschendes: Unter
den Tüchern ertastet er dieses Ding, ist irritiert. Wir lachen und erfahren: Der Tod hat
auch etwas Heiteres. Bei der Tabubrecherin ist das auch so.
Dieses Festival war anders als die anderen, schwerer vielleicht, aber das machte
nichts. Ihr habt uns mit diesen Filmen viel zugemutet, Urs, Vera, Andreas und Yves.
Für mich war das gut. Der Lohn: Gefühle. Wann ist das schon möglich? Martin
Werlen hat davon gesprochen, wie wichtig es sei, Mauern niederzureissen. Ihr habt
mit diesem Programm ermöglicht, dass wir, für einen Augenblick wenigstens, Wände
durchbrachen und uns in Gefühlslichtungen wiederfanden. Aber nicht nur ihr, nicht
nur die Filme waren es, die zu Offenheit führten, sondern es waren die Menschen,
die sich in Einsiedeln begegneten. Einmal mehr: Vertrautheit und Verbundenheit,
schöne kurze Gespräche mit Menschen, die wir sonst nie treffen. Das gibt es nur bei
Sinema. Einmal im Jahr. Ich habe es schon letztes Mal geschrieben: als wären wir für
drei Tage eine grosse Familie (oder eine Sekte, wie Urs anmerkte 🙂 ).
Zur Mönchswerdung: Das Programm war top. Ich war in der Gruppe mit Bruder
Lorenz (hiess er so?), der uns das Kloster zeigte, Geschichte und Eigenarten mit
Schalk präsentierte (er beklagte, dass die Mönche kaum mehr jassen, auch wegen
Social Media und anderem Kram, er selber komme nur noch in den Ferien dazu) und
uns in den Reichtum der Bibliothek einweihte. Beindruckend die Wände mit den
Folianten, die mächtigen farbigen Faksimile-Ausgaben und die Gelassenheit des
Redners. Pater Lorenz ist 1962, als ich zur Welt kam, ins Kloster Einsiedeln
eingetreten. Seit über sechzig Jahren teilt er das Leben mit seinen Brüdern, betet
und arbeitet.
Dann ging es zur Vesper, auch das eindrücklich – und etwas seltsam. Auftritt der
Mönche in ihren schwarzen Roben, eine genau ziselierte Choreographie mit Kerzen,
Weihrauchschwingen, Chorgesang und harten Bänken – wohl als Einstimmung
gedacht für «Der Name der Rose»: Selbstkasteiung fürs Publikum. Oder wir taten
gleich Busse für das häretische Fotoshooting von Urs Achermann. Die Flagellation
liess mich kalt. Ich schlief trotzdem ein.
Die Sinemaisten haben das Flair für stimmige und magische Momente. Einmal ists
der Mond über dem See, diesmal wars mystischer Nebel und eine untergehende
Sonne. Als wir den barocken Bau verliessen, mutete alles geheimnisvoll an. Eravamo
pronti per: Il nome della rosa!
Der Name der Rose: Der Film ist, fand ich, etwas in die Jahre gekommen. Dennoch:
Spannung und fette Mönche mit Hang zur Blutrunst: eine mittelalterliche
Schlachtplatte, im besten Sinne unterhaltend mit einem scharfsinnig agierende Sean
Connery. Er gab den William von Baskerville ironisch und mit väterlichem Habitus.
Ein Lob an Verleih und Marketing. Der Werbeeinspieler Kneipp war formidabel und
von ratgeberischem Nutzen. Schliesslich die Liebesszene. Es gab damals offenbar
noch keine Intimacy Coaches. Die Schöne, Wilde, Junge. Natürlich erkenne ich den
romantischen Kitsch. Dennoch lasse ich mich, wohlwissend, dass dies nicht das
Leben ist, von solchen Liebesszenen immer wieder mittragen. Ich dachte, als Adson
von Melk am Schluss von dannen ritt und sich nochmals umdrehte: Nimm sie mit, du
Debb. Ja, im Herzen sind wir eben immer noch ein wenig Werther. Festival Sinema
gibt ihm Raum.
Nach dem Film schritten wir still durch die Klostergänge, wollten nach draussen, aber
das Tor war verschlossen. Was, wenn wir die Nacht in den Einsiedler Gemäuern
verbringen mussten? Gehörte dies gar zu den forcierten Bekehrungsbemühungen
(Kloster Einsiedeln einfach) von Urs und Co. Für einen Moment dachte ich: Werlen
hat doch recht, man sollte sie niederreissen, diese Mauern. Yves brachte dann zum
Glück den Schlüssel, entliess uns in Freiheit. Wir versammelten uns im nebligen
Scheinwerferlicht auf der Klostertreppe und waren: Welttheater.
Am Sinema Festival gibt es immer diese Momente von Magie, Zauber und Euphorie.
Und eine Weltpremiere obendrein. Urs, der Unermüdliche, dreht dann jeweils richtig
auf, seine Begeisterung kennt kein Halten, und wir ziehen mit. Diesmal war das im
Ristorante Romantica (vulgo: Tulipan), opulentes Essen, lautes Geschnatter, dann
der Lichterzug zum Panorama. Das Schiff des Murtensee war nun ein immenses
Rundbild, unter anderem mit der Kreuzigung Jesu. Wir versammelten uns im Schein
der Kerzen im Kreis, lauschten den Klängen von Cello und Gitarre und den Worten
des Dichters. Schwyzer Sprachkunst. Wir verstanden wenig und wussten doch,
wovon er sprach. Dann Eichendorff, auch schön, der Einsiedler.
Wie enden? Into the Wild ist eine Wucht. Nochmals tauchten wir in diese schöne und
unendlich traurige Geschichte ein, liessen uns von unglaublichen Bildern forttragen,
grossartiger Musik und wundersamen Begegnungen. Und wir nahmen mit: Glück ist
nur, wenn wir es teilen.
Liebe Urs, Vera, Andreas und Yves! Ganz herzlichen Dank für dieses wunderbare
Festival, für die Toporganisation, die stimmige Auswahl der Filme, das reiche
Rahmenprogramm und die vielen Begegnungen, die ihr ermöglicht, und die
liebevollen Details, mit denen ihr uns überrascht!
Liebe Zoé, lieber Tim, danke auch euch für den Hammertrailer und das sehr schöne
Booklet.
Ein Gesamtkunstwerk!
Ich habe gesagt: Dieses Festival war anders. Was gleich bleibt: Wenn ich nach
diesen intensiven Tagen den Festivalort verlasse, dann bin ich verändert.
Herzlich, ci vediamo a Liechtenstein
Rolf
PS. Heute morgen nach dem Frühstück ging ich zum Klosterplatz. Es war noch still,
kaum Menschen. Ich betrat das Kloster und durchschritt die Kirche. Dann zündete ich
eine Kerze für meine Lieben an: Regula, Luisa und Sofia. Ich war sehr dankbar. Für
alles.


















Testimonials
Als „2 Frischlinge“ wurden alle angekündigten Erwartungen übertroffen. Super Organisation, tolle Menschen und berührende Filme. Ein herzliches Kompliment an die Organisatoren – TOP.
Das SINEMA hat einmal mehr seinem Namen alle Ehre gemacht: Die ausgesuchten Filme haben emotional stark berührt; das Rahmenprogramm hat ebenfalls alle Sinne angesprochen. Wir könnten uns keinen besseren Namen vorstellen und freuen uns schon, nächstes Jahr zum vierten Mal dabei zu sein.
Drei Tage dem Alltag entfliehen, gute Menschen kennenlernen, neue Filme, eine neue Gegend kennenlernen. Sich um nichts kümmern müssen, weil alles bestens organisiert ist vom 4- köpfigen OK. Das war für mich Sinema 24 . Vielen Dank dafür. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr.
Ein Anlass, der seit Jahren verzaubert und an dessen magischen Momente man sich immer mal wieder gerne zurück erinnert.
Ein Weekend das unter die Haut geht!
Ein Wochende mit coolen Menschen, guten Filmen, und super Rahmenprogramm.
Ein Wochenende in herzlicher Atmosphäre mit netten Leuten, die du nicht kennst, sowie Filme, die dich noch Tage später bewegen – das erlebst du nur am Sinefestival. Ein grosses Dankeschön an das OK!
Ein wunderbarer Event mit vielen künstlerischen und persönlichen Highlights
Pilgern, zuhören, erzählen, diskutieren, zum Nachdenken animiert und überrascht werden, neugierig sein, im Herzen getroffen werden – ein wunderschöner & bereichernder Anlass! Meine Gedanken-Tatoos wurden einmal mehr erweitert…
Wenn Urs eloquent in spezielle Programmpunkte am Festival Sinema einführt, schwankt er oft zwischen den Worten „Magisch“ und „Weltpremiere“. Den Grund sehe ich in der verlegenen Einsicht, dass weder weltliche noch geistliche Kategorien den liebevoll kreierten und stets unvorhersehbaren Erlebnissen gerecht werden. Ich empfehle jedem, es einfach mal zu erleben.


